Germanistik Hausarbeit

Ältere deutsche Sprache und Literatur / Hausarbeit
30. April 2018
Anti Fischer
3. Fachsemester
Hauptfach Deutsche Sprache und Literatur
52-168 Aufbau Seminar
Heinrich Kaufringer: Mären
Wintersemester 2018/19
PD Dr. Michael Baldzuhn

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Analyse und Kommentar zu Friedrich Kaufringers Märe Die Rache des Ehemannes       

1 Einleitung

          In dieser Hausarbeit möchte ich das Märe Die Rache des Ehemannes von Heinrich Kaufringer analysieren, um anschließend einen Kommentar darüber zu formen, inwiefern das Märe einem autorentypischen Werk innerhalb der Gattung des Märes entspricht.
          Die Rache des Ehemannes ist eine von mehreren Kurzerzählungen, die sich im Handschriftencensus des Münchner Staatsarchivs in Form von Kodexblättern überliefert finden, wo sie als Reimpaardichtungen systematisiert wurden. Entstanden sind die Handschriften um 1464 (Schneider, 189) von Heinrich Kaufringer. In dieser Hausarbeit werde ich mit der von Paul Sappler als Studienausgabe herausgegeben Version der Schriften arbeiten und die Verse daraus zitieren (Kaufringer, 140-153) und nehme als Interpretationsgrundlage die Übersetzung von Klaus Grubmüller (NdM, 739-767). Aglaja Hildenbrock bezeichnet diese Form der Erzählung als Versnovelle (Hildenbrock, 281 ff.). Das Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte jedoch hält fest: „… die gelegentlich noch angetroffene Bezeichnung des mittelalterlichen Märe als (Vers-) Novelle sollte vermieden werden“ (RLW, 726). Aus diesem Grund beschränke ich mich im folgenden Text auf die Bezeichnung ‚Märe‘, ‚Reimpaardichtung‘ als auch ‚Reimpaarerzählung‘. Der ‚Pfaffe‘ wird in Grubmüllers Novellistik (NdM, 739 ff.) als ‚Pfarrer‘ übersetzt, weshalb ich diese beiden Begriffe in meiner Arbeit als Synonym verwende. Heinrich Kaufringer als Verfasser dieses Märes werde ich im folgenden Text mit ‚Kaufringer‘ abkürzen.
In Die Rache des Ehemannes fällt ein Ritter der List seiner Ehefrau zum Opfer, geplant durch den Pfaffen, der mit ihr ein Verhältnis hat. Daraufhin formt der Ehemann den Plan, es den beiden heimzuzahlen. Die Durchführung der Rache des Ehemannes erfolgt in zwei Teilen und endet mit einer öffentlichen Kundgebung der Vorfälle gegenüber allen Verwandten und Bekannten, sowie der finalen Rechtsprechung.
          Ich werde in dieser Arbeit das Märe erst literaturgeschichtlich innerhalb der Gattung des Märes verorten und es dann unter Berücksichtigung der für meinen Kommentar wichtigen Textstellen zusammenfassen. In der Analyse und im Kommentar untersuche ich, ob Die Rache des Ehemannes ein typisches Märe für den Autoren ist. Schlussendlich ziehe ich ein Fazit und gebe einen Ausblick auf die Möglichkeiten für vertiefende Forschung.

2 Verortung

           Als Märe wird retrospektiv eine Literaturgattung bezeichnet, die zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert entstanden ist (SdL, 497). Das RLW expliziert das Märe des Weiteren als 

„eine in paarweise gereimten Viertaktern versifizierte, selbstständige und eigenzweckliche Erzählung des mittleren (d.h. durch die Verszahlen 150 und 2000 ungefähr umgrenzten) Umfangs, deren Gegenstand fiktive, diesseitig-profane und unter weltlichem Aspekt betrachtete, mit ausschließlich (oder vorwiegend) menschlichem Personal vorgestellte Vorgänge sind (Fischer, 62 f.)“ (RLW, 517).

Hinzu kommt der „schwankhafte, galante, erotisch-frivole bis obszöne oder moralisch-exemplarische“ Charakter des Märes (SdL, 497), den Hoven in seinen Studien zur Erotik in der deutschen Märendichtung als ein Merkmal beschreibt, das gerade Kaufringer besonders gattungsspezifisch einzusetzen weiss (Hoven, 179). Der Ehebruch, der in Die Rache des Ehemannes den entscheidenden Handlungspunkt ausmacht, ist neben „Liebesaffären, Betrügereien, Dummheiten und absurden Katastrophen“ (SdL, 497) ebenfalls ein gattungsspezifisches Merkmal.
          Der Ritter gibt seiner Ehefrau gegenüber an, die nächsten drei Tage auf Reisen zu sein, versteckt sich aber im Schlafzimmer und beobachtet sie beim Liebesspiel mit dem Pfarrer. Als beide schlafen, schleicht sich der Ritter an das Bett heran und schneidet dem Pfaffen das Gemächt ab. Dieses lässt er umgehend zu einem edlen Beutel verarbeiten und kehrt zu seiner Ehefrau zurück, die ihn  darüber informiert, dass es dem Pfarrer nicht gut gehe.
          Der Ehemann besucht den Pfaffen und schenkt ihm zu dessen Freude das „schöne und kostbare Beutelchen“ (NdM, 755). Dann offenbart der Ritter jedoch, woraus es besteht und droht dem Pfaffen mit dem Tod, sollte sich dieser nicht am Racheplan beteiligen. Der Ehemann beauftragt den Pfarrer damit, der Ehefrau beim Kuss die Zunge abzubeißen. Aus Angst um sein Leben willigt der Pfaffe ein und lässt die Ehefrau sofort kommen, wo er die Rache des Ehemannes in die Tat umsetzt.

3 Zusammenfassung

          Die Rache des Ehemannes handelt von einen Ritter, dessen Ehefrau ein Verhältnis mit dem Pfaffen hat. Letzterer verlangt als Liebesbeweis zwei Backenzähne des Ehemannes, die ihm die Ehefrau bringt, nachdem sich der Ritter diese durch eine List der Frau ziehen ließ.
Der Pfaffe lässt aus den Backenzähnen zwei Würfel fertigen, die er kurze Zeit später in einem Spiel gegen den Ritter einsetzt. Angetrunken prahlt der Pfarrer damit, dass die Würfel aus Zähnen eines ehrbaren Ritters bestehen. Der Ehemann durchschaut die Rede des Pfarrers sofort und schmiedet einen Racheplan.
          Der Ritter gibt seiner Ehefrau gegenüber an, die nächsten drei Tage auf Reisen zu sein, versteckt sich aber im Schlafzimmer und beobachtet sie beim Liebesspiel mit dem Pfarrer. Als beide schlafen, schleicht sich der Ritter an das Bett heran und schneidet dem Pfaffen das Gemächt ab. Dieses lässt er umgehend zu einem edlen Beutel verarbeiten und kehrt zu seiner Ehefrau zurück, die ihn  darüber informiert, dass es dem Pfarrer nicht gut gehe.
          Der Ehemann besucht den Pfaffen und schenkt ihm zu dessen Freude das „schöne und kostbare Beutelchen“ (NdM, 755). Dann offenbart der Ritter jedoch, woraus es besteht und droht dem Pfaffen mit dem Tod, sollte sich dieser nicht am Racheplan beteiligen. Der Ehemann beauftragt den Pfarrer damit, der Ehefrau beim Kuss die Zunge abzubeißen. Aus Angst um sein Leben willigt der Pfaffe ein und lässt die Ehefrau sofort kommen, wo er die Rache des Ehemannes in die Tat umsetzt.

„bösen lon er ir da gab.
si ward irer red beraubt.“
(Kaufringer, v. 390-391)

 „Eine schlimme Belohnung hat er ihr so gegeben: sie war ihrer Sprache beraubt.“
(NdM, 759)

Verzweifelt geht sie nach Hause, wo der Ehemann vorgibt, nichts zu wissen.
           Ein halbes Jahr später lädt der Ritter Freunde und Verwandte zu einem großen Fest ein, um die Geschichte offenzulegen und das Vergehen seiner Frau öffentlich zu machen. Die Zuhörer sind sich alle einig, dass „das weib verdienet het unhail“ (Kaufringer, v. 486). Der Ritter entscheidet sich gegen die Todesstrafe und lässt sich von ihr scheiden.

„die ee ist zwischen unser ab;
das hat si nun verschuld.“
(Kaufringer, v. 508-509)

 „Unsere Ehe ist aufgelöst; daran trägt sie die ganze Schuld. “
(NdM, 759)

4 Analyse und Kommentar

           Dieses Märe lässt sich auf sehr unterschiedliche Weisen gliedern. Während es Aglaja Hildenbrock als drei-episodiges Märe beschreibt (vgl. Hildenbrock 291), teilt es Michaela Willers in zwei Teile auf: Den Betrug des Ehemannes und die Rache des Ehemannes (vgl. Willers, 137). Zum Zwecke meiner Argumentation im nachfolgenden Kommentar nehme ich für diese Analyse eine etwas feinere Gliederung vor.
Die Verse 1 bis 12 des Märes sehe ich als Prolog. Dann folgt bis Vers 39 das Versprechen der Ehefrau an den Pfaffen. Vers 40 bis 118 beschreibt die List am Ehemann durch den Pfaffen mit der Ehefrau als Instrument. In Vers 119 bis 140 erfolgt die Übergabe der Trophäe an den Pfarrer und die Transformation der Zähne in Würfel. Bis Vers 191 zieht sich dann das Spiel und die Offenbarung. In den Versen 192 bis 195 fasst der Ehemann den Racheentschluss. Die Durchführung der Rache 1 endet mit Vers 244, woraufhin der Ritter die Transformation des Gemächts des Pfaffen in einen Beutel bis Vers 284 vornehmen lässt. Es kommt zu einem erneuten Spiel zwischen Ritter und Pfaffe unter Verwendung der Trophäe, dieses Mal vom Ehemann ausgehend von Vers 285 bis 334. Ein neuer Racheplan erfolgt daraufhin in den Versen 335 bis 358. Der Vollzug der Rache 2 an der Ehefrau mit dem Pfaffen als Instrument erstreckt sich dann von Vers 359 bis 412. Um mit der Angelegenheit abzuschließen, plant der Ehemann eine Offenlegung für die Gesellschaft von Vers 413 bis 436. Diese erfolgt in Form eines erzählten Märes ab Vers 437 bis Vers 483. Die Auflösung der innergeschichtlichen Erzählung, sowie der Ehe zwischen dem Ritter und der Ehefrau, bildet mit den Versen 484 bis 516 den Abschluss des Märes (Kaufringer, 140 ff.). Ich fasse die Gliederung folgendermaßen zusammen:

Vers   1-12 Prolog
Vers 13-49 Liebesbeweisversprechen
Vers 40-118 List am Ehemann
Vers 119-140 Trophäentransformation 1
Vers 141-191 Spiel und Offenbarung 1
Vers 192-195 Racheplan des Ehemannes
Vers 196-224 Vollzug der Rache 1
Vers 225-284 Trophäentransormation 2
Vers 285-334 Spiel und Offenbarung 2
Vers 335-358 Racheplan des Ehemannes 2
Vers 359-412 Vollzug der Rache 2
Vers 413-436 Planung der Offenlegung
Vers 437-483 Offenlegung durch Märe
Vers 484-516 Auflösungen

          Bereits bei der Gliederung des Märes fällt eine Besonderheit auf: Es hebt sich von den anderen Versreimen der Kaufringer-Sammlung ab, in dem es über kein erzählerperspektivisches Promythion oder Epimythion verfügt. Pro- und Epimythien dienen in anderen Kaufringer-Mären vor allem dazu, die moralisch-exemplarische Bedeutung des jeweiligen Märes hervorzuheben. So wird zum Beispiel im Promythion in Der zurückgegebene Minnelohn darüber philosophiert, was eine gute Ehefrau, nach damaligen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, ausmacht. In Der feige Ehemann hingegen enthalten das Pro- und das Epimythion eine stark übertriebene, ausdrückliche Moralisierung, wodurch das Märe oder die Lehre aus dem Märe geradezu ironisiert wirken.
          In Die Rache des Ehemannes finden sich bis auf folgende Ausnahmen keine Stimmen, die einen Einblick in eine mögliche Erzähleransicht zulassen. Innerhalb der im Märe erzählten Reimpaarerzählung sticht eine verallgemeinernde Aussage aus dem Rest der Erzählung in der Erzählung hervor:

„wann frawen selten tuond das pest,
als die alten haund gesait.“
(Kaufringer, v. 450-451)

„Denn Frauen machen ja nie das Richtige,
wie schon die Alten gesagt haben.“
(NdM, 763)

Die zweite Ausnahme findet sich am Ende des Märes. Während im Prolog der Ritter und Protagonist des Märes beschrieben wird, beinhaltet der Schluss einen Vers, der auf eine Erzählerstimme schließen lässt:

 „also puost si ir missitat.
damit di red ir ende hat.“
(Kaufringer v. 515-516)

„So hat sie für ihre Untat gebüsst.
Damit ist diese Geschichte zu Ende.“
(NdM, 767)

Dass eine Wertung der Vorgänge durch den Erzähler in Die Rache des Ehemannes nur auf diese subtile Art und Weise stattfindet, verleiht dem Märe einen besonders groben Charakter.
          Obwohl laut Hovens Studien zur Erotik in der deutschen Märendichtung der Grobianismus der Kaufringer Mären durchaus als gattungsspezifisch bezeichnet wird (vgl. Hoven, 179), sind die grobianischen Szenen und das Anstößige in diesem Märe besonders auffällig. Das Ziehen der Zähne des Ritters, die Kastration des Pfaffen, sowie das Abbeißen der Zunge der Ehefrau werden jeweils besonders explizit und bildlich über mehrere Verse hinweg geschildert. In den ersten beiden Fällen wird auch insbesondere das Blutvergießen verbildlicht: 

„von pluot ran ain grosser pach
über sein antlutz vil clar“
(Kaufringer, v. 112-113)

„Das Blut floss in Strömen
über sein feines Antlitz“
(NdM, 745)

Das Ziehen der Zähne des Ritters endet in einem Bach aus Blut, der dem Ritter über das Gesicht läuft. 

„da ward der pfaff ain arm man,
er hett sich nachet plüet ze tot,
davon das weib laid grosse not.“
(Kaufringer, v. 242-244)

„So wurde der Pfarrer ein Habenichts.
Beinahe hätte er sich zu Tode geblutet,
das brachte die Frau in ziemliche Schwierigkeiten.“
(NdM, 751)

Die Kastration des Pfarrers führt dazu, dass dieser fast verblutet, was die Ehefrau in große Schwierigkeiten gebracht hätte.
          Beim Vollzug der Rache 2 jedoch, dem Abbeißen der Zunge, wird kein Blutvergießen beschrieben, sondern Betonung auf die sprachliche Neutralisierung der Frau gelegt, die sich bis zum Ende des Märes weiterzieht. 

„di fraw was in der stumen schar.
si sprach: »läll läll« und anders nicht;
das was da irer sprache pflicht.“
(Kaufringer v. 396-398)

„Die Frau gehörte jetzt zu den Stummen.
Sie sagte: »läll, läll« und sonst nichts;
das war das, was sie sagen konnte.“
(NdM, 759 f.)

Die Ehefrau ist ab diesem Moment nicht mehr in der Lage sich sprachlich zu verständigen. Dadurch wird der Ehefrau auch die Möglichkeit verwehrt, der Ausführung des Ehemannes über die Vorfälle (die später in Form des innergeschichtlich erzählten Märes erfolgt) zu widersprechen. Aus der wiederholten Betonung auf die blutigen Aspekte der List am Ehemann und dem Vollzug der Rache 1 wird der Fokus auf die Schwere des Akts des Stummmachens der Frau im Vollzug der Rache 2 gelegt. Der Raub ihrer Sprache wird im Märe bildlich mit einem Blutstrom und dem Akt des Verblutens gleichgesetzt.
          Die eben erwähnte innergeschichtliche Erzählung im Abschnitt Offenlegung durch Märe ist in dieser Form in keinem anderen Kaufringer Märe anzutreffen. Zwar erleben wir viele direkte Reden in Die unschuldige Mörderin, wodurch auch mehrmals Situationen durch die Protagonistin geschildert oder Erklärungen abgegeben werden, allerdings geschieht dies stets in der Ich-Form. Im Märe Der Zehnte von der Minne erzählt der Bauer auch eine Parabel, welche jedoch nicht auf ihn selbst oder etwas von ihm Erlebtes bezogen ist (vergleiche hierzu Die Rache des Ehemannes). Viel mehr dient die Rede dort als hochironisierte Predigt, um dem schuldigen Pfaffen deutlich zu machen, dass dessen List durchschaut wurde. Die Situation ist wesentlich vergleichbarer mit den Offenlegungen in Spiel und Offenbarung 1 und 2 in Die Rache des Ehemannes.
          Das vom Ehemann erzählte Märe hingegen beginnt wie ein Märchen oder eine distanzierte Darstellung eines willkürlichen Unglücksfalls. Es wird insbesondere auf die Banalität und den beiläufigen Charakter der kommenden Geschichte hingewiesen.

„Der hausswirt zelest began
auch in schimpf weis vahen an,
in ze sagen ein tagalt.
er sprach: »merkent, jung und alt,
was ich ietzo haun erfaren;
das ist geschehen in kurzen jaren.“
(Kaufringer, v. 437-442)

„Schliesslich fing auch der Gastgeber an,
ihnen eine Geschichte vorzutragen,
als sei es ein Zeitvertreib.
Er sagte: »Jung und Alt merke jetzt
auf das, was ich neulich gehört habe;
es hat sich vor wenigen Jahren zugetragen.
(NdM, 763)

Der Ritter beginnt den geladenen Gästen eine Geschichte zu erzählen. Die Erzählung geht aber nur so weit, bis der Pfaffe mit den Würfeln aus Zähnen den Ritter verspottet. Daraufhin sind die Gäste so stark aufgebracht, dass der Ritter nicht dazu kommt, das Ende zu schildern und verlangen den Tod der Frau aus der Erzählung.

„Da die red also geschach,
ir ieglicher besunder sprach
und wart ain gemain urtail,
das weib verdienet her unhail;
den leib sölt si verlorn han.“
(Kaufringer v. 483-487)

„Nachdem das vorgetragen war,
ergriff jeder einzelne das Wort,
und man war sich im Urteil einig:
diese Frau habe den Untergang verdient;
sie müsse ihr Leben verlieren.“
(NdM, 765)

Alle Freunde und Angehörigen sind sich darin einig, dass eine Tat, wie sie vom Ritter in dessen Märe beschrieben wird, mit dem Tod der Frau bestraft gehört. Trotz der Offenbarung durch den Ritter, dass es sich in der Geschichte um ihn selbst handelt und dass er der Frau die Zunge hat abbeißen lassen, sowie den Pfarrer kastriert hat, wird darauf beharrt, dass die Todesstrafe für die Frau der einzige legitime Weg ist.
          Diese wiederholte Ausformulierung des Verlangens nach der Todesstrafe für die Ehefrau erhöht den empathischen Wert der finalen Auflösung durch den Ehemann. Er teilt den versammelten Freunden und Angehörigen mit, dass er sich von seiner Frau scheiden lässt, ihr Unterhaltszahlungen gewährt und sie aus dem Haus verweist. Zwar nehmen die Verwandten sie bei sich auf, jedoch wird in den letzten drei Versen des Märes deutlich, wie schlimm die von ihr durchlebte Strafe für sie ist. Auf jegliche Art von Moralisierung verzichtend, endet Die Rache des Ehemannes mit:

„die sprach nichz dann: »läll läll läll.«
also puost si ir missitat.
damit di red ain ende hat.“
(Kaufringer v. 514-516)

„Die sagte nur: »läll, läll, läll.«
So hat sie für ihre Untat gebüsst.
Damit ist diese Geschichte zu Ende.“
(NdM, 767)

          Schlussendlich möchte ich die Ironie im letzten Vers kommentieren. Da das komplette Märe explizit brutal und frei von Moralisierungen auf der Erzählerebene formuliert ist, wirkt es nie komödiantisch oder witzhaft. Und liest man Grubmüllers Übersetzung, bleibt das folgende humoristische Element Kaufringers ganz verborgen. Der letzte Vers entfaltet meiner Ansicht nach nämlich den gesamten Witz und die Genialität der Formulierungskraft Kaufringers: Bezieht man das „damit di red ain ende hat.“ (Kaufringer v. 514) nämlich nicht auf das gesamte Märe, sondern auf den gestohlenen Sprechakt der Frau, verstärkt dies nicht nur erneut den eben schon erwähnten Pathos der schlimmen Strafe, sondern ironisiert sie auch und somit das Märe von Anfang bis Ende. 

5 Fazit

          Hiermit fasse ich zusammen, dass sich Kaufringer in Die Rache des Ehemannes durch das Weglassen eines Pro- und Epimythions und die Unterlassung ausformulierter Moralisierungen von seiner typisierten Gattungsform leicht entfernt. Die explizite Darstellung mehrerer Gewaltakte, der Grobianismus nach Hoven und die wiederkehrende Betonung der Schwere, der im Märe erfahrenen Konsequenzen, heben sich ebenfalls von den anderen Reimpaarerzählungen des überlieferten Kaufringer Handschriftencensuses ab. Die Form der literarischen, leicht versteckten,  ironisierten oder humorangereicherten Erzählungen durch die Märenfiguren selbst, kann durchaus zum ‚Schwankhaften‘ als Gattungsmerkmalen gezählt werden. Trotzdem sticht die Offenlegungsrede des Ehemannes durch ein innergeschichtlich erzähltes, selbstständiges Märe, in dieser Erzählung besonders heraus. Somit stelle ich abschließend fest, dass Die Rache des Ehemannes kein typisches Märe für Kaufringers Erzählweise ist.
          Gerne würde ich die Forschung zu Die Rache des Ehemannes vertiefen und die Entstehungsgeschichte der Überschriften des Kaufringer-Hand-schriftencensuses genauer untersuchen. Im Falle dieses spezifischen Märes nämlich nimmt die Titelgebung durchaus einen Einfluss auf die Lesart und die Betonung der Erzählung.  Hätte man dieses Märe zum Beispiel Der listige Pfaffe oder Die Scheidung eines Ritters genannt, läge die Fokussierung der Lesart auf anderen Aspekten. Hier fände sich zum Beispiel eine interessante Grundlage für weitere Forschung.

6 Literaturverzeichnis

Primärliteratur:

Kaufringer, Heinrich: Werke. I. Text. Hg. v. Paul Sappler. Tübingen 1972.

Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Hg. v. Klaus Grubmüller. Frankfurt/M. 1996 (BdM 23).

Sekundärliteratur:

Hildenbrock, Aglaja: Heinrich Kaufringers ‚Die Rache des Ehemanns‘ in psychoanalytischer Betrachtung, in: Hg. von Karl-Heinz Schirmer.  Das Märe. Die mittelalterliche Versnovelle des späteren Mittelalters. Darmstadt 1983, S. 281–291 (ad Nr.13).

Hoven, Heribert: Studien zur Erotik in der Deutschen Märendichtung, in: Hg. von Ulrich Müller, Franz Hundsnurscher, Cornelius Sommer. Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Göppingen 1979, S. 179.

Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft: Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Hg. von Harald Fricke. Berlin; New York 2000, S. 517-726.

Sachwörterbuch der Literatur. Hg. von Gero von Wilpert, Kröners Taschenausgabe Bd. 231. Stuttgart 2001, S. 497.

Schneider, Karin: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 201-350 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,2). Wiesbaden 1970, S. 189-208.

Willers, Michaela: Heinrich Kaufringer als Märenautor. Das Oeuvre des cgm 270 vorgelegt von Michaela Willers. Berlin 2002, S. 137.

 

 

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